Kiwi Ears ist eine Hausmarke des chinesischen HiFi-Shops Linsoul. In den vergangenen Wochen und Monaten hat der Hersteller seine Anstrengungen im Bereich der ohrumschließenden Kopfhörer drastisch ausgebaut. Der neuste Emporkömmling aus dieser Kategorie ist mit zwei Treibern je Seite ausgestattet – also vier Treiber insgesamt. Hohe Frequenzen werden von einem Planar-Treiber übernommen, während der verbleibende Anteil ganz klassisch vom dynamischen Treiber abgebildet wird.
Das Resultat aus diesem Vorhaben ist der Kiwi Ears Atheia. Der geschlossene Kopfhörer ist mit Ohrmuscheln aus Walnussholz ausgestattet und konnte mich im Test an vielen Stellen sehr überraschen. Warum der Kopfhörer für mich trotzdem nicht die perfekte Wahl ist und ob er das für euch unter Umständen sein kann, klären wir in diesem Testbericht!
Willkommen in der SmartZone HiFi Corner! Ich bin Benjamin, neben Smartphones ist Audio eine meiner größten Interessen und im Team bin ich der bekennende Snob, wenn es um hochwertige Kopfhörer geht. In der HiFi Corner schreibe ich über alle möglichen Audio-Produkte, die mir so in die Finger geraten.
Alle weiteren in dieser Artikelreihe erschienenen Testberichte findet ihr unter diesem Link.
Übrigens: Zum Testen habe ich mein Google Pixel 9 Pro (zum Testbericht) und den Kiwi Ears Allegro Mini (zum Testbericht) verwendet. Musik habe ich über Tidal in bestmöglicher Qualität abgespielt – auf eine bitperfekte Wiedergabe habe ich aufgrund der Umständlichkeit keinen Wert gelegt.
Design & Verarbeitung
Lieferumfang
Wir starten mit dem Lieferumfang des Kiwi Ears Atheia. Neben dem Kopfhörer selbst befinden sich in der Box eine kurze Bedienungsanleitung, ein Kabel von 3,5mm Millimeter-Klinke auf zweimal 3,5mm Millimeter-Klinke und eine Tragetasche.
Die Tragetasche hat mich sehr positiv überrascht. Ungefragt wurde mir von mehreren Bekannten mitgeteilt, dass der Reißverschluss sehr hochwertig anmute und die Tragetasche insgesamt einen sehr guten Eindruck mache. Diese Eindrücke kann ich nur bestätigen und selbiges über das Kabel verlauten lassen – natürlich außer das mit dem Reisverschluss. Das Kabel ist zweigeteilt und besteht teilweise aus durchsichtigem Silikon.
Die Bedienungsanleitung habe ich nicht gelesen. Abgesehen davon hat sich Linsoul für den Lieferumfang des Kiwi Ears Atheia aber ein großes Lob verdient.
Tragekomfort des Kiwi Ears Atheia
Der Kiwi Ears Atheia besteht aus hochwertigen Materialien, was sich in der hervorragenden Haptik niederschlägt. Die Ohrmuscheln sind aus Walnussholz, die Polsterung aus einer sehr weichen und angenehmen veganen Lederalternative (aka. Kunststoff) und alles andere besteht aus Aluminium. Mit 349 Gramm ist der Kopfhörer dennoch nicht übermäßig schwer und sitzt sicher auf meinem Kopf. Die Polster sind abnehm- und austauschbar.
Besonders genial finde ich die Größenverstellung am Bügel. Die Vorrichtung ist darauf ausgelegt, dass ihr den Kopfhörer einfach aufsetzt und er sich automatisch an die Gegebenheiten anpasst. Das hat bei mir im Test ausgesprochen gut funktioniert. So einen Mechanismus habe ich noch nie zuvor gesehen!
Insgesamt ist der Tragekomfort einfach fantastisch, selbst mit einem großen und eher runden Kopf und mit Brille. Ich habe lange überlegt und mir ist kein sinnvoller Kritikpunkt an der Optik und Haptik sowie am Tragekomfort des Kiwi Ears Atheia eingefallen. Der Hersteller hat in diesem Bereich wirklich alles richtig gemacht.
Klang & Abstimmung des Kiwi Ears Atheia
Jetzt wird es spannend. Beim Kiwi Ears Atheia handelt es sich um einen ohrumschließenden, kabelgebundenen Kopfhörer mit geschlossener Bauweise. Er ist mit zwei dynamischen Treibern mit 50 Millimeter Durchmesser und zwei Planar-Treibern mit 14,5 Millimeter Durchmesser ausgestattet.
Den Frequenzgang gibt der Hersteller mit 20 Hertz bis 40.000 Hertz an. Der Schalldruckpegel bei 1.000 Hertz und 1 Milliwatt Leistung ist mit 102 Dezibel ziemlich hoch. Bei identischer Frequenz und Leistung liegt der Anteil der neu erzeugten harmonischen Verzerrungen am Gesamtsignal bei unter 0,5 Prozent.
Die Impedanz bei 1.000 Hertz beträgt 32 Ohm, mit einer Toleranzangabe von 10 Prozent in beide Richtungen. Damit könnt ihr den Kopfhörer mühelos an Smartphones, Tablets, Laptops und anderen Geräten mit wenig Ausgabeleistung verwenden und erreicht trotzdem eine mehr als annehmbare Lautstärke.
Wofür überhaupt zwei Treiber?
Dynamische Treiber können viel Luft bewegen und dementsprechend im Bassbereich ein spürbares Fundament aufbauen. Im Mitteltonbereich können Treiber dieser Art ein sehr natürliches und volles Klangbild erzeugen.
Für den Hochtonbereich kommt dann der planarmagnetische Treiber ins Spiel und sorgt für eine gute Detailwiedergabe, geringe Verzerrung und schnelles Ansprechverhalten. Diese beiden Arten von Treibern zu kombinieren, soll also einerseits die besten Eigenschaften aus beiden Welten kombinieren und andererseits den Frequenzgang nach oben hin erweitern, denn ein planarmagnetischer Treiber kann zumeist höhere Frequenzen verzerrungsfrei abbilden, als ein dynamischer Treiber.
Ein kleines Beispiel: Hört euch einmal auf eurem Kopfhörer mit dynamischen Treibern den Titel Duel of the Fates von John Williams auf hoher Lautstärke an. Ich kann euch beinahe garantieren, dass deutlich hörbare Verzerrungen auftreten, sobald der Chor so richtig loslegt. Das Hybrid-Design des Kiwi Ears Atheia klingt auf dem Papier also erst einmal wie eine richtig tolle Idee.
Die Frequency Response des Kiwi Ears Atheia ist… seltsam!
Fangen wir einfach mal unten an und arbeiten uns langsam nach oben. Der Bassbereich des Kiwi Ears Atheia ist insgesamt sehr stark ausgeprägt. Bei einer eher neutralen Abstimmung laut der Harman-Target ist der Bassgipfel im unteren Bassbereich – beim Kiwi Ears Atheia ist er im mittleren und oberen Bassbereich angesiedelt. Das sorgt für einen starken Punch, der bei entsprechendem Quellmaterial sehr viel Spaß machen kann.
Die unteren Mitten des Atheia sind stark zurückgenommen, was bei manchen Instrumenten und dem Grundton einiger Stimmen zu einer leisen Wiedergabe führt. Der Gipfel der Mitten ist im oberen Mittenbereich angesiedelt. Vor allem bei weiblichen Vocals kann das zu einer leicht nasal wirkenden Wiedergabe führen, was mir beim Atheia aber nicht negativ aufgefallen ist. Insgesamt wirken die Mitten warm koloriert, aber etwas unausgewogen.
Der Hochtonbereich ist für mich sehr schwer zu interpretieren, weil viele Gipfel und Täler schnell aufeinanderfolgen. In ihrer Gesamtheit sorgen all diese Frequenzantworten für eine angenehme Wiedergabe der hohen Frequenzen, aber nicht unbedingt für eine neutrale Wiedergabe.
Genau das lässt sich auf den gesamten klanglichen Charakter des Kiwi Ears Atheia übertragen. Je nach Quellmaterial klingt der Kopfhörer richtig gut, doch bei manchen Genres und Titeln fallen die seltsam gesetzten Gipfel und Täler durchaus auf. Besonders bei elektronischer Musik, Pop und Metal kann der Kopfhörer seine Stärken perfekt ausspielen.
Der Versuch einer zutreffenden Charakterisierung
Insgesamt bietet der Kiwi Ears Atheia einen stark hervorgehobenen Punch im Bassbereich, dafür aber einen zurückgenommenen Tiefbass. Dadurch wirkt die Wiedergabe der tiefen Frequenzen sehr trocken, was mir sehr gut gefällt. Insgesamt finde ich den Bass aber doch zu stark ausgeprägt. Die Mitten brillieren bei weiblichem Gesang und einigen Instrumenten. Die hohen Töne sind schwer zu beschreiben, wirken auf mich aber trotzdem stimmig.
All das kombiniert der Kiwi Ears Atheia mit einer fantastischen Bühne, die beinahe schon mit halboffenen Kopfhörern mithalten kann. Instrumente, Klänge und Ear Candy sind ausgesprochen gut lokalisierbar. Trotz dieser starken Separation wirkt das Klangbild wie aus einem Guss – vor allem wegen der zwei Treiber je Seite hätte ich das nicht erwartet.
Ebenfalls noch erwähnenswert ist, dass selbst bei sehr hoher Wiedergabelautstärke kaum etwas nach außen dringt. In einem komplett stillen Raum kann ich erst ab 50 Prozent Wiedergabelautstärke überhaupt etwas vernehmen, wenn beispielsweise meine Freundin den Kopfhörer aufgesetzt hat.
Andersherum ist die Abschirmung hingegen nicht allzu ausgeprägt. Ich würde mich mit dem Kiwi Ears Atheia niemals in einen Zug oder ein Flugzeug setzen, weil mich die Nebengeräusche nach kurzer Zeit nerven würden.
Ein paar Beispielsongs
Für die folgenden Absätze habe ich das Samsung Galaxy S20 Plus als Zuspielgerät verwendet, weil ich mein Google Pixel 9 Pro nicht bei mir habe. Es bleibt beim Musikstreamingdienst Tidal und dem Kiwi Ears Allegro Mini.
Ich habe keinen Equalizer verwendet. Bei rund 70 Prozent Wiedergabelautstärke ist der Sweet Spot für mich erreicht. Darüber hinaus treten gelegentlich hörbare Verzerrungen auf, die aber mit einem leistungsstärkeren Dongle oder gar einem Desktop-DAC und -Amp ausgebügelt werden können. Auch bei der Wiedergabe mit dem kompakten Allegro Mini ist die Spitzenlautstärke wirklich mehr als ausreichend.
Pump It
Die Abstimmung der Mitten sorgt dafür, dass verzerrte elektrische Gitarren weit weniger präsent wirken, als bei neutral abgestimmten Kopfhörern. Das könnt ihr durchaus als Vorteil werten – immerhin sind dann die Vocals präsenter und einfacher zu verstehen.
Bei diesem Titel von Electric Callboy gefällt mir die Abstimmung wirklich gut. Neben den elektrischen Gitarren spielen die Jungs aus Castrop-Rauxel mit Synthesizern und Clean Vocals, die beim Atheia eine beinahe schon gruselige Präsenz haben.
Der leicht dunkle Unterton setzt dem sehr hell und fröhlich gemixten Titel einen interessanten Kontrast entgegen. Durch den stark ausgeprägten mittleren und oberen Bass erzeugt der Kopfhörer eine eindrucksvolle Klangmauer, obwohl die Frequenzen der Gitarren leiser abgespielt werden, als bei einer neutralen Abstimmung.
Galvanize
Diesen Titel des britischen Electronica-Duos The Chemical Brothers habe ich vor einigen Wochen wiederentdeckt. Auch hier bestimmen treibende Synths den Mix.
Wie bereits erwähnt, kann der Kiwi Ears Atheia bei solcher Musik seine Stärken geradezu perfekt ausspielen. Die breite Bühne, die starke Separation, der heftige Punch im Bassbereich – der Atheia ist wirklich wunderbar für elektronische Musik geeignet!
Moustache
Kommen wir zu Tutti Bounce und der aktuellen Single der Reggae- und Afrobeat-Formation namens Moustache.
Wie auch beim Mutterschiff Seeed wird das Klangbild von einer treibenden Basslinie, Blasinstrumenten und einem sehr dichten Mix mit viel Ear Candy dominiert. Auch das macht mit dem Kiwi Ears Atheia durchaus Spaß, doch im direkten Vergleich bevorzuge ich bei diesem Titel das Tuning des Kiwi Ears Ellipse, weil er den dichten Mix etwas luftiger aufspielen kann, als der Atheia.
Wie immer ist das einerseits eine Frage des Geschmacks und zudem auch eine Frage des Anspruchs. Spaß macht Moustache zweifelsohne auch mit dem Kiwi Ears Atheia.
Bodies
Kommen wir zu diesem beinahe vergessenen Nummer 1-Hit von Robbie Williams. Die sehr spezielle Sound Selection macht mir bei diesem Titel immer besonders viel Spaß – ob nun die Mönchsgesänge gleich zu Beginn, die Violinen während der zweiten Strophe oder das komplett seltsame Ende.
Bei Popmusik wie dieser gefällt mir die Abstimmung des Kiwi Ears Atheia wirklich gut, teilweise sogar fast besser als bei einem eher auf Neutralität getrimmten Kopfhörer.
Sanctuary
Diesen Titel verwende ich unglaublich gerne, weil er einerseits eine Klangmauer aufbaut, diese aber mit dynamischen Intermezzi vereint, wenn Jamie Branch beginnt zu tröten.
Hier fällt mir der hohe Detailgrad besonders positiv auf. Auch die dreckige Komponente, sowohl von der verzerrten Gitarre, als auch von der Trompete und der Klarinette, wird wunderbar abgebildet.
Testergebnis
Linsoul hat mit dem Kiwi Ears Atheia einen sehr seltsamen Kopfhörer im Programm.
Das Design gefällt mir ausgesprochen gut, und die Ohrmuscheln aus Walnussholz sind ein absoluter Blickfang. Die Größeneinstellung am Kopfband ist unglaublich intuitiv und praktisch – besser als bei jedem anderen Kopfhörer, den ich bisher ausprobiert habe. Würde ich bei diesen Testberichten Punkte vergeben, würde Kiwi Ears für die Optik und Verarbeitung die volle Punktzahl erhalten. Das Kabel hat mir ebenfalls ausgesprochen gut gefallen. Eine Tragetasche ist Teil des Lieferumfangs und auch die wirkt überraschend hochwertig.
Leider gefällt mir die Standardabstimmung des Kiwi Ears Atheia nicht allzu gut. Vor allem die Frequenzen im Bassbereich sind für meinen Geschmack zu präsent.
Je nach Quellmaterial wirkt die Wiedergabe der Mitten beinahe dumpf – zumindest im Vergleich mit einem das gesamte Spektrum gleichermaßen abdeckenden, eher neutral abgestimmten Kopfhörer. Das führt dazu, dass Pop- und Rockmusik mit dem Kiwi Ears Atheia sehr viel Spaß macht. Für andere Genres habe ich die Abstimmung als zu stark koloriert empfunden und stattdessen auf den eher neutral abgestimmten Kiwi Ears Ellipse (zum Testbericht) zurückgegriffen.
Für die hohen Frequenzen wird der Planar-Treiber angeworfen und sorgt für eine etwas dunkle, aber doch sehr detailreiche Wiedergabe. Besonders die Klangfarbe der hohen Frequenzen gefällt mir, trotz der seltsamen Abstimmung, richtig gut. Im Klangbild ist absolut nicht erkennbar, ab welcher Frequenz anstelle des dynamischen Treibers der Planar-Treiber zum Einsatz kommt. Es wirkt alles wie aus einem Guss.
Insgesamt scheint es, als hätte Linsoul mit der Abstimmung des Kiwi Ears Atheia genau das erreicht, was sie erreichen wollten. Für das, was er ist, klingt dieser Kopfhörer wirklich fantastisch. Es ist leider nur nicht das, was ich möchte.
Genau diesen Kopfhörer, nur mit einer besseren passiven Abschirmung und einem etwas mehr auf Neutralität bedachten Tuning, würde ich mir sofort kaufen. Selten hatte ich nach einem langen Test eine so ambivalente Meinung zu einem Produkt.
Ihr werdet diesen Kopfhörer entweder lieben, oder überhaupt nicht mit der Abstimmung klarkommen. Bei mir ist es irgendwie eine Mischung aus beidem.
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